Jahrelang hat der Mindelheimer Metzgermeister Josef Pointner unermüdlich experimentiert - gegen alle Widerstände aus der eigenen Zunft und trotz Hohn und Spott von Seiten der Lebensmittelbranche. Pointner hatte eine Vision: Leberkäs, Lyoner, Weißwürste & Co. sollten auch ohne 40-prozentigem Fettanteil gut schmecken. Immerhin hat er mit seiner Idee sofort die Wissenschaftler vom
Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV begeistert und die Zusammenarbeit trägt endlich Früchte. Denn schon Anfang 2006 war es soweit: Der Fettanteil der Kalorienbomben konnte auf durchschnittlich zwei bis drei Prozent zurück gefahren werden. Das Problem blieb, einen Vertriebspartner für die leichte Innovation zu finden. Jetzt ist es geschafft. Gestern landete die Wurstlinie "VielLeicht" endlich bei
EDEKA Südbayern in den Regalen. Eine frohe Kunde für alle Figur bewussten "Hanswurschte". "Sie ist wie ein Kind für mich. Ich habe sie auf die Welt gebracht", so der Metzger, räumt aber auch ein, dass die ersten Versuche "grausam" geschmeckt hatten.
Pontner: "Bierschinken, Leberkäse oder Weißwurst mit wenig Fett fehlten bisher auf dem Markt." Die Kunst war es, das Fett in der Wurst durch Proteine zu ersetzen. Damit das gelingt, müssen sich die Proteine des Fleisches stärker vernetzen, also ihre Struktur so auffalten, dass möglichst viel Wasser gebunden wird. ,Dreh- und Angelpunkt ist der Kutter, eine Schüssel, die um scharfe, rotierende Messer kreist. In ihr kommen die Zutaten zusammen: mageres Fleisch, Gewürze und Eis. Bei herkömmlichen Kuttern entstehen an den Messern Temperaturspitzen von bis zu 75 Grad Celsius. Das führt zu einer Denaturierung der Proteine. Sie bilden unerwünschte kleine Klümpchen im Brät und verlieren teilweise die Fähigkeit, Wasser zu binden", erklärt Dr. Peter Eisner vom IVV. Wurst ohne Fett blieb so immer Gummi artig und geschmacksarm.
In der institutseigenen Wurstküche wurde deshalb eine Reihe von Versuchen gefahren, um den idealen Fettgehalt und die richtige Konsistenz des Bräts zu erreichen. "Der Trick ist es, die Temperatur zu kontrollieren und Kuttermesser sowie Brät immer wieder zu kühlen. Dabei kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an: Nur einen Moment zu spät, dann werden die Messer heiß", verrät Dr. Eisner. Auf das Herstellungsverfahren halten Fraunhofer und Josef Pointner das Patent.
Und das wird sich bestimmt bald auszahlen. Knackige Wiener, saftige Bierschinken und Co. sind nämlich äußerst beliebt: Etwa 1,5 Mio Tonnen Wurstwaren essen die Deutschen pro Jahr. Zweidrittel davon sind Brüh- und Kochwürste. Bisher als fettarme Wurst verkaufte Waren enthalten immer noch bis zu 20 Prozent Fett. Selbst die ziemlich magere Geflügelwurst ist im Vergleich fetter. Projektleiter Eisner erklärt die Zusammensetzung der Fitnesswurst: "Wurst ist chemisch betrachtet eine Mischung aus einer Emulsion und einem Gel – fein verteiltes Fett und Wasser bilden die Emulsion, Wasser und Protein ein Gel. Metzger fügen üblicherweise Speck, Schwarten, Knorpel und vieles mehr dazu, um die gewünschte Konsistenz zu erhalten. Die für die Festigkeit der Wurst notwendigen Proteine stecken in den Fleischfasern."
Die Herausforderung für die Forscher war deshalb, trotz des fehlenden Fetts saftige Wurst mit knackig frischem Biss zu entwickeln, denn ohne Fett wird Wurst meist trocken und bröslig. »Wir verwenden ausschließlich Hinterschinken, der besonders reich an gesunden Proteinen ist und nur 2,5 bis drei Prozent Fett enthält. Das Fleisch wird im Kutter schonend zerfasert. Durch das neue Verfahren bleiben die wertvollen Proteine erhalten und bestimmen maßgebend Geschmack und Konsistenz der neuen Wurstprodukte. Die Herstellung ist effizient und kostengünstig," erklärt Eisner. Mehr wird allerdings nicht verraten. Professor Ulrich Buller, Forschungsvorstand der Fraunhofer-Gesellschaft betont: "In der fettarmen Wurst steckt Fraunhofer-Know-how." Und das werden alle Wurstfans schon bald schmecken.
Und nicht nur das. Schützenhilfe bekommt die "VielLeicht"-Wurst zur Markteinführung auch von
Hans Hauner, Professor für Ernährungsmedizin an der
TU München. "Sie wird einen Beitrag zur gesunden Ernährung leisten", denn dem Professor zufolge sind in Deutschland die Übergewichtigen zur Zeit in der Überzahl. Bravo, auf zum nächsten Weißwurstfrühstück ohne Reue!
Orantes - 11. Jan, 09:11